Heute kaum vorstellbar, doch früher gängige Praxis: Ab 1954 leiteten die Federsee-Gemeinden ihre Abwässer ungeklärt in den Federsee. Der See war der enormen Nährstoff-Zufuhr nicht gewachsen und kippte um. Riesige Mengen an Blaualgen färbten sein Wasser intensiv grün. Die meisten Tiere und Pflanzen verschwanden. Der Ornithologe Jost Einstein hat Daten aus über 70 Jahren winterlicher Wasservogel-Zählungen ausgewertet. Die Studie kommt zum Ergebnis: Die Einleitung der Abwässer hatte für die Natur katastrophale Folgen. Nach dem Bau der Kläranlage und der Abwasserring-Leitung im Jahr 1981 erholte sich der See zunächst nur sehr langsam. Die Pflanzenfresser unter den Wasservögeln wie Tafelente, Kolbenente, Höckerschwan und Blässhuhn, zeigen, dass sich Wasserpflanzen zwar nach und nach wieder einstellten, aber zeitweise auch wieder völlig verschwanden. Erst 25 Jahre später konnte sich eine Unterwasser-Vegetation dauerhaft etablieren, doch wechselten die Bestände der verschiedenen Pflanzenarten oft sprunghaft.
2008 war dann der Kipp-Punkt erreicht und der Federsee wandelte sich schlagartig wieder vom algentrüben Gewässer zum von Wasserpflanzen dominierten See. Mit diesem Kippen, das in vielen Ökosystemen nach Erreichen bestimmter kritischer Werte auftritt, war ein großes Fischsterben verbunden, dem mehr als neun Tonnen Welse, Hechte, Brachsen und Kleinfische zum Opfer fielen. Doch wie die sich von Fischen ernährenden Wasservögel zeigen, hat sich die Fischfauna schnell wieder erholt. Die jährliche Menge an Kleinfischen, die Haubentaucher, Gänsesäger und Kormorane dem See entnehmen, liegt heute bei vier bis fünf Tonnen. Einen reich gedeckten Tisch finden mittlerweile auch wieder die von Kleintieren lebenden Wasservögel. Schell-Enten und vor allem Reiher-Enten sind wieder häufige Gäste. Insgesamt haben sowohl die Artenvielfalt als auch die Individuen-Zahlen stark zugenommen. Bis zu 3000 Wasservögel kann man den letzten Jahren zwischen Oktober und Februar auf dem Federsee beobachten, darunter auch manche Rarität.