Die Biberacher Agenda "Geschlechter Gerecht" setzen sich für mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Gesellschaft ein. Ihr Ziel, die Benachteiligung von Mädchen, Frauen, Jungen und Männer sichtbar zu machen und Lösungen für mehr Geschlechtergerechtigkeit zu finden. Hierfür stellen sechs Mitglieder der Agenda engagierte Frauen in der Frauenbewegung vor, die sich in den Bereichen Politik, Kunst oder Gesellschaft für die Frauenrechte einsetzen Biberacher Mitglieder der Agenda "Geschlechter Gerecht" stellen engagierte Frauen der Frauenbewegung vor.
Sigrid Arnold, Gleichstellungsbeauftragte für den Landkreis Biberach, stellt Marie Juchacz vor:
Die Sozialpolitikerin und Frauenrechtlerin Marie Juchacz ist für Sigrid Arnold eines der Gesichter der deutschen Frauenbewegung. Sie kämpfte für die erstmalige Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland im Jahre 1918, schaffte den Einzug in die Weimarer Nationalversammlung und hielt im Weimarer Reichstag als erste Frau und Abgeordnete eine historisch bedeutsame Rede. Aber Juchacz leistete noch mehr: Bereits im ersten Weltkrieg organisierte sie die Einrichtung von Suppenküchen für Bedürftige, Nähstuben und Heimarbeitsplätzen für Frauen, engagierte sich in der Unterstützung von Kriegswitwen und Kriegswaisen. Nach dem Kriegsende standen Kriegsversehrte, Witwen, Waisenkinder und Arbeitslose ohne soziale Hilfen da. Diese Not ließ Juchacz nicht mehr los, weshalb sie sich als Abgeordnete schwerpunktmäßig der Sozialpolitik widmete und im Jahr 1919 die Arbeiterwohlfahrt in Deutschland gründete. Nach der Machtübernahme Hitlers emigrierte Juchacz 1941 nach Amerika, wo sie die „Arbeiterwohlfahrt USA – Hilfe für die Opfer des Nationalsozialismus“ gründete. Diese Organisation versorgte nach Kriegsende die Bevölkerung in Deutschland mit Hilfspaketen.
Der Einsatz von Marie Juchacz für das Frauenwahlrecht legte einen der wichtigsten Grundsteine für die Emanzipation der Frauen in Deutschland. Die gleichberechtigte Teilhabe und Partizipation von Frauen in Gesellschaft, Beruf und Politik ist zugleich Vermächtnis und Auftrag bis in unsere Zeit. Deshalb bietet Sigrid Arnold zusammen mit der Agenda Geschlechter Gerecht am 31. März im Landratsamt eine Empowerment-Veranstaltung für interessierte Frauen auf dem Weg zu einer Kandidatur bei den Kommunalwahlen 2024 an.
Hermine Burger, Mitglied Agenda Geschlechter Gerecht, stellt Bettina Schleicher vor:
Die Rechtsanwältin Bettina Schleicher ist Past-Präsidentin des Dachverbandes von Business und Professional Women (BPW) Germany. Der BPW ist ein Berufsnetzwerk für angestellte und selbstständige Frauen und hat Beraterstatus bei den Vereinten Nationen und beim Europarat. In ihrer Funktion als Präsidentin des BPW hat sich Schleicher besonders für die Entgeltgleichheit eingesetzt. So startete sie 2007 die Initiative Rote Tasche, Grundstein für die bundesweite Einführung des Equal Pay Days 2008. Am Equal Pay Day wird auf die Ungerechtigkeit in der Bewertung der Leistung zwischen Frauen und Männern und die daraus resultierende ungleiche Bezahlung aufmerksam gemacht. Schleicher bekam für ihr gesellschaftspolitisches Engagement für berufstätige Frauen 2009 das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.
Karin Burgmaier-Laengerer, Leiterin der Familien-Bildungsstätte Biberach, stellt Pinar Karabulut vor:
Pinar Karabulut ist eine junge Theaterregisseurin und gehört zum künstlerischen Leitungsteam der Münchner Kammerspiele. In ihrer Arbeit beschäftigt sie sich mit Chancengleichheit, Frauenbildern und Feminismus, Sexismus und Rassismuserfahrungen. „Die perfekte Theaterwelt wäre eine, in der Hautfarbe, Haarfarbe, Nationalität, Geschlecht und sexuelle Orientierung keine Rolle mehr spielen“, so Karabulut. Sie betont, dass der Kulturbereich weiblicher und diverser werden muss und engagiert sich für Vielfalt am Theater. Karabulut ist für ihre grellmutige Inszenierungsweise und knallige Ästhetik bekannt, mit der sie gerne auch provokativ Gender-Stereotypen aufbricht und Geschlechterrollen und Feminismus neu denkt.
Gisela Gretschel, Mitglied Agenda Geschlechter Gerecht, stellt Paula Thiede vor:
Paula Thiede (1870 bis 1919), Gewerkschafterin und Frauenrechtlerin, war die erste Frau, die einer reichsweiten Gewerkschaft, dem „Verband der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -arbeiterinnen Deutschlands“ (VBHi) vorstand. Thiede entstammte selbst einer Arbeiterfamilie. Bereits mit 14 Jahren begann sie in einer Druckerei als Hilfsarbeiterin zu arbeiten. Die Arbeitsbedingungen in der Druckindustrie waren schlecht und die Lebensbedingungen der Arbeiterschaft von Krankheit und finanzieller Not geprägt. Thiede engagierte sich zunächst in der Frauengewerkschaft der Druckerei-Hilfsarbeiterinnen, die zusammen mit den männlichen Kollegen den Neunstundentag in der Druckindustrie erkämpfte.
1898 ging die Frauengewerkschaft im geschlechterübergreifenden Zentralverband auf und Thiede wurde zur ersten Vorsitzenden der Gewerkschaft der Hilfsarbeiter und -arbeiterinnen im Buchdruck gewählt. Sie war eine durchsetzungsstarke Verhandlerin, wenn es um die Sache der Arbeiterinnen und Arbeiter ging. Unter ihrem Vorsitz gelang es, einen zentralen Tarifvertrag für die Hilfsarbeiter und -arbeiterinnen in der Druckindustrie sowie einen Mindestlohn für Hilfsarbeiterinnen auszuhandeln. Frauen verdienten, selbst bei gleicher Arbeit, deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen. Innerhalb der Gewerkschaft setzte Thiede unter anderem durch, dass Wöchnerinnen eine finanzielle Unterstützung erhielten.
Als Delegationsmitglied bei den internationalen Frauenkonferenzen 1907 und 1910 war Paula Thiede zudem aktiv bei der Durchsetzung des Wahlrechts für Frauen dabei.
Vorgestellt von Annetraut Groner, Mitglied Agenda Geschlechter Gerecht:
Der provokative Titel „Wir haben abgetrieben“ des Magazins „Stern“ aus dem Jahr 1971 hat Annetraut Groner damals aufgerüttelt und auf Alice Schwarzer aufmerksam gemacht, die für diese Aktion verantwortlich war. Groner hatte es immer als extrem ungerecht empfunden, dass Frauen mit einer ungewollten Schwangerschaft allein gelassen und in die Illegalität getrieben wurden, wenn sie keinen anderen Ausweg fanden als eine Abtreibung. Seit dieser Zeit hat Groner den Mut von Alice Schwarzer als Aufforderung erlebt, dass Frauen für ihre Rechte kämpfen. Auch die Zeitschrift „Emma“ begleitet Groner seit der ersten Ausgabe und hat ihr immer wieder gezeigt, wie viele mutige Frauen es gibt, die dazu beigetragen haben, dass sich die Situation der Frauen in Deutschland grundlegend gebessert hat.
Heike Liebe, Präsidentin des Zonta Club Oberschwaben, stellt Amelia Earhart vor:
Amelia Earhart wurde 1897 in Kansas/USA geboren. In den 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts war sie wohl die berühmteste Frau der USA. Bei ihrem ersten Flug 1920 stand ihr Entschluss fest: Sie wollte selbst Fliegen. Schon 1921 erhielt sie die Pilotenlizenz und konnte sich eine Zweisitzer-Maschine mit offenem Cockpit, die sie „The Canary“ nannte, kaufen. Sie erlangte internationale Bekanntheit, als sie am 17. und 18. Juni 1928 in einem 20-stündigen Flug als erste Frau – zu ihrem Ärger jedoch nur als Passagierin – in einem Flugzeug den Atlantik überquerte. Im Jahr 1932 wagte sie ihr größtes Abenteuer: Sie überquerte als erste Frau den Atlantik im Alleinflug. Spätestens jetzt wurde sie endgültig zur Nationalheldin und zum Medienstar. Ihre Popularität nutzte sie für das Verfechten feministischer Ziele. Immer wieder betonte sie, dass es ihr mit ihren unerschrockenen Rekordflügen auch darum ging, zu beweisen, dass Frauen zu technischen Höchstleistungen in der Lage sind. Sie freundete sich mit der First Lady Eleanor Roosevelt an und unterstützte das Programm einer Sozialgesetzgebung und der staatlichen Fürsorge für Kranke, Rentner und Arbeitslose. Das Abenteuer ihres Lebens hatte kein Happy End: Beim Versuch, den Äquator zu umrunden, verschwand sie am 2. Juli 1937 spurlos. Earhart war Mitglied von Zonta International – zu ihrem Gedenken vergibt Zonta jedes Jahr für besondere Leistungen von Frauen in der Luftfahrt den Amelia-Earhart-Award.