Beim eskalierenden Protest in Biberach um den politischen Aschermittwoch der Grünen hat die Polizei aus Sicht von Gewerkschaftschef Ralf Kusterer gut gehandelt. Schon nachts habe man die Lage beobachtet und nach ersten Hinweisen personell aufgestockt, sagte der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). So seien unter anderem Beamte des Präsidiums Einsatz geordert worden, die für solche Demonstrationslagen ausgebildet seien. «Ich muss sagen, das Polizeipräsidium Ulm hat hervorragend reagiert.»
Es gehöre zum Tagesgeschäft der Polizei, die Lage einzuschätzen, sagte Kusterer der Deutschen Presse-Agentur. Momentan sei das angesichts der Bauernproteste mitunter schwerer, räumte er ein.
Die Grünen hatten ihre Veranstaltung am Mittwoch in Biberach kurzfristig wegen Sicherheitsbedenken abgesagt, nachdem eine Demonstration aus dem Ruder gelaufen war. Unter anderem hatten Landwirte einen Misthaufen vor die Treppen zur Stadthalle gekippt. Polizeibeamte drängten die Menge zurück und wurden dabei mit Gegenständen beworfen. Sie setzten Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Mehrere Beamte wurden nach Polizeiangaben leicht verletzt, mindestens ein Randalierer wurde festgenommen.
Grünen-Urgestein Jürgen Trittin, der nach Biberach gekommen war, sagte der «taz» (Donnerstag): «Ich glaube, dass sich die Polizei in Baden-Württemberg ernste Fragen stellen lassen muss, warum sie nicht in der Lage war, eine Veranstaltung des eigenen Ministerpräsidenten so abzusichern, dass sie durchgeführt werden kann.» Innenminister Thomas Strobl (CDU) bot dem Innenausschuss des Landtags an, über die Vorkommnisse zu berichten.
Kusterer sagte, seines Wissens nach habe die Polizei zunächst mit einer Hundertschaft geplant, am Ende seien mehr als 200 Polizistinnen und Polizisten im Einsatz gewesen. «Nach meiner Einschätzung war das vorgesehene Kräftekontingent ausreichend.» Als sich dann früh in der Nacht abgezeichnet habe, dass der Protest anders als erwartet ausfallen könnte, hätten die Verantwortlichen schnell Konsequenzen gezogen. Letztlich habe es sich wohl um die 70 Störer gehandelt, die nicht der Bauernschaft zuzurechnen seien.
Unter anderem waren Flaggen des Königreichs Preußen zu sehen. Wer den Protest organisiert hatte und ob Extremisten unter den Teilnehmern waren, blieb zunächst unklar. Der Landes- und der örtliche Bauernverband distanzierten sich von der Aktion.
Gewerkschaftschef Kusterer verwies darauf, dass Landwirte Ministerpräsident Winfried Kretschmann erst vor kurzem bei einer Veranstaltung abgefangen hatten. Der Grünen-Politiker sollte ebenso wie sein Parteifreund und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir beim politischen Aschermittwoch in Biberach sein.
Bei dem Besuch Kretschmanns an einem Windpark nahe Berghülen im Alb-Donau-Kreis hatten Bauern am Freitag mit Traktoren eine unangemeldete Protestaktion veranstaltet und ein Gespräch mit dem Regierungschef gefordert. Dies fand dann auch statt und die Landwirte trugen nach Angaben des Staatsministeriums ihre Sorgen und Forderungen zur Agrarpolitik vor. Bauern in ganz Deutschland protestieren seit Wochen gegen Sparpläne der Bundesregierung, insbesondere gegen geplante Kürzungen beim Agrardiesel. Auch am Mittwoch hatte Özdemir bei einer nahegelegenen angemeldeten Demonstration mit Vertretern der Bauernverbände gesprochen.
Dass in Biberach nicht nur friedlich gesinnte Protestierende zugegen waren, sei etwas anderes, sagte Kusterer. Das müsse untersucht werden. Man müsse schauen, um wen es sich dabei handele. Dabei könnten Videoaufnahmen helfen. Auf die Frage, ob der Verfassungsschutz vorab etwas mitbekommen und die Polizei gewarnt habe – oder hätte müssen, antwortete er nicht konkret und sagte mit Blick auf Lageeinschätzungen allgemein: «Verschiedene Organisationen der inneren Sicherheit sind da involviert.»
Auch beim politischen Aschermittwoch in Schorndorf kam es zu Protesten. Dutzende Störer behinderten dort die Abreise der Grünen-Bundesvorsitzenden Ricarda Lang. Einem dpa-Reporter zufolge wurde die Politikerin am späten Mittwochabend ausgepfiffen und unter anderem mit «Hau ab»- und «Pfui»-Rufen belegt. Sie musste auch härtere Beschimpfungen ertragen. Die Störer verfolgten Lang und ihre Personenschützer rund 50 Meter weit, bis sie von Polizisten gestoppt wurden.