Morgen, am Donnerstag 08.09.2022, findet die Abstimmung zum neuen Infektionsschutzgesetz im Bundestag statt. Heute protestieren deshalb bundesweit viele Einrichtungen der Langzeitpflege: Besuche finden heute von 16 Uhr bis 17 Uhr nur draußen statt. Die St. Elisabeth-Stiftung in Bad Waldsee hat dazu einen Offenen Brief geschrieben: "Unsere Belastungsgrenze ist erreicht!"
Denn laut geplantem, neuen Infektionsschutzgesetz müssen die Pflegeheime weiterhin den Zugang zu den Heimen, also Test, Impfung und Maske kontrollieren - bekommen dafür aber kein Geld mehr. Denn der Rettungsschirm für die Pflege soll nicht verlängert werden, der ist an eine "epidemische Lage von nationaler Tragweite" gekoppelt.
Damit muss also weiterhin mehr Personal bürokratisch aufwendige Kontrollen machen - anstatt sich um die Pflegebedürftigen zu kümmern. Und das beim hinreichend bekanntem Personalmangel in Pflegeberufen, der durch die Pandemie nur noch verschärft wurde.
Beschäftigte in der Pflege und Betreuung haben in den zurückliegenden zweieinhalb Jahren über ihr Limit hinaus gearbeitet, schreibt die St. Elisabeth-Stiftung, Abwanderung aus Frust in die Leiharbeit und die fehlende wirtschaftliche Planungssicherheit verschärfen die Situation einmal mehr: "Das Maß ist voll!"
Infektionsschutz geht uns alle an und ist nicht allein Aufgabe der Pflege
Ab 1. Oktober 2022 soll das geänderte Infektionsschutzgesetz gelten. Während die Corona- Schutzverordnungen der Länder in den Einrichtungen der Langzeitpflege weiterhin umgesetzt werden müssen, ist deren Refinanzierung in großen Teilen ausgelaufen bzw. wird an die »epidemische Lage von nationaler Tragweite« geknüpft. Die Folgen: Beschäftigte in der Pflege müssen noch mehr bürokratische Arbeit leisten, wie das Kontrollieren und Dokumentieren von Test- und Impfnachweisen. Und das zusätzlich zu ihrer eigentlichen Aufgabe: die Pflege und Betreuung der uns anvertrauten Menschen.
Unsere Belastungsgrenze ist erreicht!
Wir sind der Meinung:
Beschäftigte in der Pflege und Betreuung haben in den zurückliegenden zweieinhalb Jahren über ihr Limit hinaus gearbeitet. Sie haben die sich ständig ändernden Verordnungen, die den Pflegealltag erheblich erschwert haben, pflichtgemäß umgesetzt. Coronainfektionen, Quarantänemaßnahmen und die Erschöpfung durch Überarbeitung der letzten Jahre haben die Krankenstände überdurchschnittlich steigen lassen. Abwanderung aus Frust in die Leiharbeit und die fehlende wirtschaftliche Planungssicherheit verschärfen die prekäre Personalsituation einmal mehr. Das Maß ist voll!
Wir fordern:
Bei der Protestaktion gegen das Infektionsschutzgesetz saßen und standen Pflegerinnen und Pfleger Seite an Seite mit Bewohnern und Mietern der Wohnparks. Sie hielten Plakate vor sich, die die verfahrene Situation in den Einrichtungen darlegten: „Mehr Menschlichkeit und weniger Bürokratie“, „Pflegt nicht die Dokumente, sondern uns“, „Unsere Belastungsgrenze ist erreicht“ oder „Wir lieben unseren Beruf - wenn wir ihn ausüben dürfen“. Konkret ging es um die Mehrbelastungen, die durch das Infektionsschutzgesetz die Arbeit in den Pflegeeinrichtungen lahmlege. „Während Corona in der Mitte unserer Gesellschaft keine Rolle mehr spielt und das soziale Leben wieder ohne Einschränkungen möglich ist, ist die Situation bei uns in den Wohnparks und Pflegeheimen unverändert“, haderte die Wohnparkleiterin in Bad Waldsee, Laura Heber, und führte aus: „Mitarbeitende und Besuchende müssen sich testen lassen und Nachweise müssen kontrolliert und dokumentiert werden. All das ist mit erheblichem bürokratischem Mehraufwand verbunden.“
„Wir befürchten, dass für die Versorgung unserer Bewohnerinnen und Bewohner künftig noch weniger Zeit bleibt, weil die Mitarbeitenden für bürokratische Maßnahmen wie beispielsweise das Prüfen und Dokumentieren von Test und Impfnachweisen eingesetzt werden müssen“, bringt Laura Heber die Problematik auf den Punkt.
Um diese aufwendigen Kontrollen zumindest bei der Protestaktion zu vermeiden, haben sich die circa 130 Teilnehmer bewusst und symbolisch im Freien auf dem Rasen vor den Wohnparks getroffen. Laura Heber forderte eine Entlastung der Pflege durch die dauerhafte und sichere Refinanzierung der Corona-Schutzmaßnahmen.
„Schaffen Sie die Rahmenbedingungen, die wir brauchen, um den Beruf, den wir lieben, ausüben zu können“, sagte Heber, „wir wollen schlichtweg die Zeit für unsere eigentlichen Aufgaben verwenden, nämlich die Pflege und Betreuung der uns anvertrauten Menschen.“
Denn der notwendige Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner sei schließlich nicht alleine Aufgabe der Pflege! Und so brauche es eine gesamtgesellschaftliche und politisch geförderte Solidarität.