Die ganze Woche über war der sogenannte Massenanfall von Verletzten Thema im Unterricht des dritten Lehrjahres und mit einer großen Übung wurde überprüft, ob der Unterrichtsstoff auch sitzt. Klassenlehrerin Nadja Übelhör zeigte sich am Nachmittag zufrieden, was ihre Schüler geleistet hatten, doch in den letzten Monaten hatte sie die meiste Arbeit, denn neben dem Unterricht musste die Übung vorbereitet werden. Insgesamt 133 Teilnehmer mussten eingeladen und koordiniert werden, darunter 37 Mimen, die die Verletzten spielten. Als Unterstützung war die Feuerwehr mit reichlich Mannschaft, aber auch eine Drehleiter vor Ort, genauso auch die ehrenamtliche Einsatzeinheit 1 des Ulmer DRK und im Rahmen des 5G-Forschungsprojektes Rettungsbürger flogen mehrere Drohnen über der Einsatzstelle.
Von den Drohnen wurden Bilder in die Rettungsleitstelle übertragen, auch dort saßen zwei Auszubildende, die als Leitstellendisponenten den gesamten Funkverkehr abwickeln mussten und Betten für die Verletzten in den umliegenden Krankenhäusern organisieren mussten. Waren Betten gefunden, mussten aber auch Fahrzeuge organisiert werden, die die Verletzten transportieren. In einem separaten Übungssystem konnte so im Nebenraum der richtigen Rettungsleitstelle realitätsnah ausprobiert werden, wie ein Großeinsatz abläuft.
Ein ganz normaler Zusammenstoß zwischen zwei Autos mit fünf Verletzten war der Übungsbeginn, doch bevor die Besatzung des ersten Rettungswagen den genauen Überblick hatte, passierte das zweite Unglück. Direkt nebenan explodierte auf dem Dach eines Parkhauses bei einer Party ein Grill, dunkler Rauch zog über den Verkehrsunfall hinweg. Nun mussten binnen Sekunden Entscheidungen gefällt werden. Wie versorgt man die teilweise Schwerverletzten des Verkehrsunfalles weiter, wer geht auf das Dach, um zu erkunden, was dort los ist. Mimen spielen Schwerverletzte, schreien vor Schmerzen, Kunstblut tropft aus Wunden. Leichtverletzte rennen herum, fordern Hilfe für sich selbst. Hier gilt es für die Helfer, ruhig zu bleiben und nach Dringlichkeit zu versorgen.
Weitere Helfer kommen, doch die reichen auch nicht, die Feuerwehr wird benötigt, um gehfähige Verletzte zu einer Sammelstelle zu geleiten. Die Verletzten müssen durch den Rettungsdienst gesichtet und nach Dringlichkeit in Behandlungskategorien eingeteilt werden.
Vor dem Parkhaus wird eine Verletztensammelstelle eingerichtet, von der aus der Transport in die Kliniken durchgeführt wird. Wer im Parkhaus gesichtet ist, wird von der Feuerwehr zur Sammelstelle getragen, manche werden mit der Drehleiter direkt am Dach abgeholt.
Der Stress ist manchen Auszubildenden direkt im Gesicht anzusehen, die körperliche Anstrengung beim mehrfachen Laufen durch das Treppenhaus bis in den sechsten Stock mitsamt der Ausrüstung lässt den Schweiß ganz real strömen.
Nach einer guten Stunde ist jeder Verletzte mit einem Rettungswagen abtransportiert und damit ist die Zeitvorgabe eingehalten, Klassenlehrerin Übelhör zufrieden. Doch damit ist es nicht vorbei, nach einer kurzen Mittagspause lernen die Auszubildenden eine weitere Besonderheit bei Großeinsätzen hautnah kennen.
Die Einsatzeinheit 1 des Ulmer DRK hat auf dem gegenüberliegenden Parkplatz einen Behandlungsplatz aufgebaut. In dieser mobilen Zeltstadt werden beispielsweise bei Busunglücken Verletzte gesammelt, bevor sie in die Krankenhäuser gebracht werden, um sie individuell erstzuversorgen und damit die Krankenhäuser vor Überlastung zu schützen. Nun gilt es in der Nachmittags-Übung diesen Behandlungsplatz zu betreiben und mit den zahlreichen Patienten, die von Rettungswagen angeliefert werden, zurechtzukommen.
Plötzlich ist das Zelt für die Schwerverletzten überfüllt, doch jeder von ihnen braucht aufwändige Betreuung, um zu überleben. Wer kann wie schnell wohin transportiert werden, um den Behandlungsplatz zu entlasten. Die Auszubildenden müssen entscheiden, Übungsbeobachter stehen daneben und notieren die Entscheidungen in Bewertungsbögen.
Auch dieser Teil der Großübung läuft zur Zufriedenheit von Nadja Übelhör ab, doch einige Übungsteilnehmer hatten die Hinweise in den Tagen vor der Übung nicht ausreichend ernstgenommen. Der dringende Rat zu ausreichend Sonnencreme wurde einige Male missachtet und mehrere Teilnehmer durften einen veritablen Sonnenbrand als Übungsandenken mit nach Hause nehmen.