„Das Scheitern der allgemeinen Impfpflicht war absehbar, ist aber eine bittere Entwicklung“, sagt Landrat Heiner Scheffold und ergänzt: „Ich hätte mir zum richtigen Zeitpunkt einen Gesetzesentwurf der Bundesregierung gewünscht.“ Nach der kontroversen Debatte müsse nun konsequenterweise auch die Sinnhaftigkeit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht überprüft und diese so lange ausgesetzt werden. Denn sie wurde immer im Kontext einer allgemeinen Impfpflicht als erste Stufe auf dem Weg zur allgemeinen Impfpflicht gesehen. „Nachdem die allgemeine Impfpflicht gescheitert ist, darf die Verantwortung nun nicht allein auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kliniken und anderen Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen abgeschoben werden“, so Scheffold, der auch Vorstandsvorsitzender der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG) ist.
Mit der allgemeinen Impfpflicht sollten besonders gefährdete Gruppen vor schweren Verläufen einer Infektion mit dem Coronavirus geschützt und eine Überlastung des Gesundheitssystems vermieden werden. „Die einrichtungsbezogene Impfpflicht kann nicht als alleiniges Mittel zum Schutz der Risikogruppen herangezogen werden, geschweige denn ihren Zweck erfüllen“, so Scheffold. Denn in der Debatte um die allgemeine Impfpflicht sei auch das Argument, dass Impfungen die Übertragung unwahrscheinlicher machen, als hinfällig betrachtet worden.
Die derzeit verfügbaren Corona-Impfstoffe schützten gegen die Omikron-Varianten zwar immer noch mit hoher Wahrscheinlichkeit vor einem schweren Krankheitsverlauf, dennoch sei auch eine Übertragung durch geimpfte Personen möglich. Und dann könne die Impfung auch nicht mehr Grundlage für Betretungs- und Berufsverbote in den Gesundheitseinrichtungen sein, sagt Landrat Heiner Scheffold. „Wenn nun bei der Impfung grundsätzlich auf das Prinzip der Eigenverantwortung gesetzt wird, dann dürfen nicht diejenigen die Leidtragenden sein, die die Menschen pflegen.“
„Ich spreche mich daher in der derzeitigen Lage für eine gesetzliche Aussetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht aus und erwarte von der Bundesebene, dass das entsprechende Gesetzgebungsverfahren schnellstmöglich durchgeführt wird“, sagt Landrat Heiner Scheffold. „Dies auch deshalb, weil das handwerklich schlecht gemachte Gesetz zu einem hohen Aufwand und erheblichen Problemen in der Umsetzung führt und die Impfquote in dieser Personengruppe ohnehin sehr hoch ist.“
Die Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen sind seit dem 16. März 2022 verpflichtet, fehlende Immunitätsnachweise ihrer Angestellten an das örtliche Gesundheitsamt zu melden. Dazu hatten die Arbeitgeber maximal 14 Tage Zeit. Bis zum Ablauf der Frist haben im Alb-Donau-Kreis und der Stadt Ulm etwa 120 Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen mehr als 1400 fehlende oder zweifelhafte Immunitätsnachweise an das Gesundheitsamt im Landratsamt Alb-Donau-Kreis gemeldet.
Etwas weniger als die Hälfte wurden über das digitale Meldeportal des Landes Baden-Württemberg eingereicht. Die übrigen Meldungen haben das Gesundheitsamt auf dem postalischen Weg erreicht. Die meisten Hinweise stammen aus medizinisch-ambulanten Einrichtungen sowie Arztpraxen, gefolgt von Pflegeheimen.
Ein Großteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist sich jedoch bewusst, mit welch hoher Verantwortung ihre Arbeit verbunden ist und nimmt diese auch wahr. Das zeigt beispielsweise die Impfquote der Pflegeheime im Alb-Donau-Kreis und der Stadt Ulm: Dort sind beispielsweise rund 90 Prozent der Beschäftigten mindestens zweifach geimpft, 65 Prozent haben eine Auffrischungsimpfung erhalten.
Das Gesundheitsamt fordert die betroffenen Personen zunächst nochmals zur Vorlage des Nachweises auf. Kommt die Angestellte oder der Angestellte der Aufforderung innerhalb einer angemessenen Frist nicht nach, kann das Gesundheitsamt ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot für die Einrichtung anordnen. Grundsätzlich kann das Gesundheitsamt auch Bußgeldverfahren einleiten.
Dabei entscheiden die Gesundheitsämter nach der Vorgabe des Landesozialministeriums jeweils im Einzelfall, welche Schritte eingeleitet werden. „Jedes dieser Verfahren ist ein aufwändiger Verwaltungsakt. Der immense Aufwand, die einrichtungsbezogene Impfpflicht durchzusetzen, ist aufgrund der fehlenden Sinnhaftigkeit momentan nicht mehr gerechtfertigt“, sagt Landrat Heiner Scheffold.