Erklärung zur Solidarität im Kreis Biberach: Rektorin will sich nicht anschließen

Rund 750 Verbände, Institutionen, Vereine, Gebietskörperschaften und Privatpersonen haben die „Erklärung zur Solidarität in der Pandemie für den Landkreis Biberach“ bereits unterschrieben, so heißt es auf der Website des Landratsamts Biberach. Laut Schwäbischer Zeitung will sich eine Rektorin aus dem Kreis der Erklärung nicht anzuschließen. Dazu nennt sie öffentlich ihre Gründe. 

Bewusst nicht unterschrieben hat Christa Asprion, kommissarische Schulleiterin der Schwarzbach-Schule Biberach, einer Schule für Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung, nachdem sie den Text durchgelesen hatte, so der Zeitungsbericht. „Mit einem Unterzeichnen positioniere ich mich gegen jeden, der sich gegen die Impfung entscheidet“, so Asprion per Mail an die Zeitungsredaktion. „Unsere Aufgabe als Schulleiter ist aber eine andere.“

In der Erklärung sehe die Schulleiterin persönlich die Gefahr der Ausgrenzung ungeimpfter Personen. „Wir sind alle in der Verantwortung, ob geimpft oder ungeimpft.“ – schreibt sie laut SZ. Auch am in der Erklärung verwendeten Begriff „Verfassungsfeind“ störe sie sich. „Man darf nicht jemanden ohne Ansehen der Person als Verfassungsfeind bezeichnen“, so heißt es weiter. Sie sei keine Verfassungsfeindin und auch keine Corona-Leugnerin. Zu ihrem eigenen Impfstatus wolle sie sich öffentlich nicht äußern.

Die Erklärung im Wortlaut

„Im ganzen Land sind an die Stelle angemeldeter Demonstrationen inzwischen vielfach sogenannte „Spaziergänge“ getreten. Über Messenger-Dienste organisiert finden sich in den Innenstädten regelmäßig viele Menschen, darunter auch Impfgegner, Coronaleugner und Verschwörungstheoretiker sowie Staats- und Verfassungsfeinde. Dabei werden häufig auch Abstands- und Hygieneregeln missachtet und dadurch die Gesundheit anderer gefährdet.

Nach zwei Jahren der Pandemie sind wir alle müde: Vom Abstandhalten und Maske-Tragen, von den immer neuen Kontaktbeschränkungen, Absagen und Schließungen, von Einschränkungen des täglichen Lebens, die aufgrund der Unberechenbarkeit des Virus und seiner Varianten erforderlich sind.

Aber wie müde und erschöpft müssen erst diejenigen sein, die in den Krankenhäusern und Pflegeheimen, in den Laboren, Arztpraxen, im Gesundheitswesen und bei den Rettungsdiensten arbeiten? Die um jedes Menschenleben kämpfen und dann immer wieder zusehen müssen, wie alle Kraft, aller Einsatz vergeblich waren?

Wie verzweifelt müssen sich diejenigen fühlen, die einen Angehörigen verloren haben, die mitansehen mussten, wie ein Mensch, zuvor oftmals gesund und mitten im Leben stehend, innerhalb kürzester Zeit auf Maschinen angewiesen ist, um überhaupt atmen zu können?

Wie müssen sich diejenigen fühlen, die sich angesteckt haben, als eine Impfung noch nicht möglich war und jetzt an den Folgen von Long Covid leiden?

Wie müde und erschöpft müssen die Geschäftsleute, Gastronomen, Hoteliers sein, die ihre Betriebe monatelang schließen mussten und jetzt nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen öffnen können? Die ihre mühsam aufgebauten Existenzen gefährdet sehen?

Die weit überwiegende Mehrheit schätzt die Kompetenz der Wissenschaft, die der Politik mit ihrer Expertise beratend zur Seite steht und dadurch entscheidend zur Bewältigung der Krise beiträgt, die gewonnene Erkenntnisse unmittelbar zur Verfügung stellt und so schnelle Reaktionen auf sich verändernde pandemische Situationen ermöglicht.

Die ganz überwiegende Mehrheit der Bevölkerung weiß um die Notwendigkeit der Maßnahmen, weiß um den Segen der Impfungen, die sich in der Coronapandemie in den allermeisten Fällen als entscheidendes Mittel gegen einen schweren Verlauf erwiesen haben.

Ganz bewusst hat das deutsche Grundgesetz der freien Meinungsäußerung und der Versammlungsfreiheit einen sehr hohen Stellenwert eingeräumt. In einer Demokratie gehört es dazu, dass die Vielfalt der Meinungen nebeneinander bestehen kann und Minderheiten geachtet und gehört werden. Und es muss einen Raum geben, in dem andere Meinungen gehört werden und Kritik geäußert werden darf. Wir sind zu einem solchen sachlichen und fairen Dialog auf der gemeinsamen Basis unseres Grundgesetzes jederzeit bereit. Und es ist gut und richtig, dass auch während der Pandemie Demonstrationen möglich sind, sofern die demokratisch legitimierten Regeln der Pandemiebekämpfung eingehalten werden.

Dass es jetzt aber landes- und bundesweit immer wieder zu Gewalt und Ausschreitungen gegen Polizisten kommt, dass die Gesundheit von Menschen weiterhin gefährdet wird, weil Abstands- und Hygieneregeln missachtet werden und dass Kritik an der Corona-Politik, die für sich genommen legitim ist, durch Staats- und Verfassungsfeinde unterwandert wird – das alles nehmen wir nicht schweigend hin, sondern sagen ganz klar:

Wir stehen voll und ganz hinter unserem demokratischen Staatswesen.
Wir stehen hinter den Maßnahmen, die unsere demokratisch legitimierten Regierungen ergreifen, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen, Leid und Tod von den Menschen abzuwenden, unser Gesundheitssystem und die kritische Infrastruktur dieses Landes vor dem Kollaps zu bewahren. Wir appellieren an alle Bürgerinnen und Bürger, Verantwortung füreinander und für das Gemeinwohl zu übernehmen und sich der gegenwärtigen Herausforderung konstruktiv zu stellen. Und wir sind überzeugt davon, dass wir die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger dabei hinter uns wissen.“

Dr. Heiko Schmid
Landrat und Vorstandsmitglied im Bündnis für Demokratie und Toleranz mit den Unterzeichnern

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