Das Internet ist ein Ort voller Halbwahrheiten - Das hat die Corona-Pandemie noch stärker zum Vorschein gebracht.
Auch wir werden täglich mit den verschiedensten Meldungen konfrontiert. Die gängigsten Theorien rund um PCR-Tests, Falschpositiv-Rate und den Erfinder der Tests haben wir deshalb einmal genauer unter die Lupe genommen.
Das scheint auf den ersten Blick logisch zu sein: Je mehr Menschen getestet werden, desto höher fallen die Zahlen aus. Das stimmt zum Teil - ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Auch das Robert-Koch-Institut räumt diesen Effekt ein: Wenn mehr getestet wird, werden mehr Infektionen auch entdeckt - Auch die, die ohne oder mit nur milden Symptomen auftreten.
Das Problem: Diese Personen können trotzdem andere anstecken. Das Robert-Koch-Institut schätzt die Gefährdung durch Menschen mit Symptomen am höchsten ein, die Übetragung durch komplett asymptomatische Infizierte eher gering. Auch hier liegt aber wieder die Krux: Ein "relevanter Anteil" von Angesteckten steckte sich bei anderen Infizierten an, bevor diese selbst Symptome zeigten. Wie groß genau dieser Anteil ist, kann das RKI allerdings nicht genau beziffern.
Die Zahlen können durch vermehrtes Testen also kurzzeitig in die Höhe schnellen - weil mehr Infektionen auch tatsächlich entdeckt werden. Das muss aber nicht der Fall sein: Im Umkehrschluss bedeutet die Grundaussage "Wenn mehr getestet wird, steigen die Fälle" ja auch: "Wenn weniger getestet wird, sinken die Fälle" und "Wenn mehr Fälle entdeckt wurden, muss auch mehr getestet worden sein". Diese Annahmen sind aber leicht widerlegbar: Mit dem Positivenanteil der Tests.
Detaillierte Testzahlen veröffentlicht das RKI jeden Mittwoch im täglichen Lagebericht. Dort wird wöchentlich aufgeführt, wie viele Tests aus wie vielen Laboren eingegangen sind - und wie viele davon positiv ausgefallen sind.
Die Grafik zeigt: Obwohl in der Woche vor Ostern weniger Tests ausgewertet wurden als in den Wochen zuvor, blieb die Anzahl der davon positiven Ergebnisse relativ stabil. Der Positivenanteil lag in KW 13 bei 11,1 Prozent, in der Woche vorher, bei den höchsten Testzahlen seit KW4, bei lediglich 9,3 Prozent.
Testergebnisse lassen sich grundsätzlich in vier Kategorien unterteilen: Richtig positiv (Ein positives Ergebnis wird angezeigt, dieses Ergebnis ist korrekt), Richtig negativ (Ein negatives Ergebnis wird angezeigt, dieses Ergebnis ist korrekt), Falsch positiv (Ein positives Ergebnis wird angezeigt, dieses Ergebnis ist falsch) und Falsch negativ (Ein negatives Ergebnis wird angezeigt, dieses Ergebnis ist falsch).
Im Internet kursiert die Annahme, dass eine sehr hohe Falschpositivrate von PCR-Tests die Ursache für hohe Fallzahlen und in der Folge unnötige Maßnahmen seien. Die Argumentation: Bei einer angenommenen Fehlerquote von einem Prozent wäre bei 100 Tests einer falsch-positiv. Auch das ist allerdings wieder zu kurz gedacht. Die Qualität eines Tests lässt sich in Sensitivität (Richtig-Positiv-Rate) und Spezifität (Richtig-negativ-Rate) messen. Genau diese beiden Punkte wurden speziell für PCR-Tests und Sars-CoV-2 durchgeführt - mit bereits im Vorfeld klaren Testergebnissen, die dann erneut geprüft wurden, um die Fehlerquote zu ermitteln.
Das Ergebnis: 0,3 bis 1,2 Prozent der eigentlich positiven Proben wurden als negativ ausgewertet, 1,4 bis 2,2 Prozent der eigentlich negativen Proben wurden als positiv ausgewertet - Waren also falsch positiv. Die Annahme, dass im Versuch rund zwei Prozent der Testergebnisse falsch positiv waren, ist in der Theorie also richtig. In der Praxis ist das jedoch unwahrscheinlich: Verschiedene PCR-Tests untersuchen auch verschiedene Teile der Gen-Sequenz eines Virus - manche Tests nur eine, manche gleich mehrere auf einmal. Je mehr Teile des Virus nachgewiesen werden können, desto wahrscheinlicher ist dann auch eine tatsächliche Viruslast. In ungenauen Fällen empfiehlt das RKI die Dual-Target-Strategie: Dabei werden mit verschiedenen Tests verschiedene Gen-Teile des Virus nachgewiesen.
Christian Drosten, Chef-Virologe der Berliner Charité, erklärte gegenüber der dpa, dass bei positiven Testergebnissen ein Zusatztest durchgeführt werde. Dadurch, dass außerdem positiv getestete Personen oft noch einmal zum Test kommen müssen, lassen sich Falsch positive Ergebnisse in der Praxis beinahe ausschließen - dass zwei Proben, die unabhängig voneinander entnommen und untersucht werden, nicht korrekt sind, ist unwahrscheinlich. Die Annahme, bei 100 Tests seien immer zwei positiv, egal wie viele Personen tatsächlich infiziert sind, ist in der reinen Theorie vielleicht richtig - da die PCR-Tests allerdings nur unter bestimmten Kriterien überhaupt durchgeführt werden, sinkt die Wahrscheinlichkeit Falsch positiver Tests noch einmal im Vergleich zu PCR-Tests in einer repräsentativen Stichprobe der Bevölkerung. Das hängt mit der sogenannten Vortestwahrscheinlichkeit zusammen: Sie beschreibt, wie hoch das Risiko ist, dass die Person tatsächlich auch angesteckt sein könnte. Anders als bei Massenschnelltests an Schulen oder Testzentren ist die Wahrscheinlichkeit für eine Infektion bei PCR-Tests grundsätzlich höher - dadurch sinkt die Falschpositivrate.
PCR-Tests seien ohnehin nicht zum Nachweis von Corona-Infektionen geeignet - Auch das ist ein verbreiteter Irrglaube, der auf den sozialen Netzwerken verbreitet wird. Beim PCR-Test, der eine SARS-CoV-Infektion ermitteln soll, wird ein Abstrich aus dem hinteren Nasen-Rachen-Raum entnommen. Dort vermehren sich die auslösenden Corona-Viren. Im Labor wird dann in mehreren Durchläufen das Erbmaterial der Viren vervielfältigt, so dass es nachgewiesen werden kann. Diese Durchläufe heißen Zyklen und werden mit dem CT-Wert gemessen: Je mehr Zyklen durchlaufen werden mussten, bis Virus-Erbgut nachgewiesen werde konnte, desto geringer war die Viruslast in der Probe.
Dass der PCR-Test ungeeignet sei, habe der Erfinder der Methode, Kary Mullins, selbst gesagt: Darauf wird auf Social Media immer wieder von Usern hingewiesen. Tatsächlich hat sich Mullins möglicherweise in einem Blogeintrag von 1996 zu PCR-Tests geäußert - dass das Zitat allerdings tatsächlich von ihm stammt, ist umstritten. In einem Blogeintrag zu der widerlegten Theorie, das HI-Virus löse kein AIDS aus, wird Mullins zitiert: "Quantitative PCR is an oxymoron." - Frei übersetzt: "Quantitativ" und "PCR" ist ein Gegensatz." Tatsächlich ermittelt der PCR-Test nicht die Viren (quantitativ), sondern das Vorhandensein von Virus-Sequenzen (qualitativ). Im Bezug auf HIV und AIDS lässt sich das so übersetzen: Nicht das HI-Virus wird nachgewiesen, sondern Proteine, die spezifisch für das HI-Virus sind.
Die Aussage von Mullins, sollte er sie so getätigt haben, ist also nicht falsch. Sie sagt aber nichts über die Verwendung von PCR-Tests bei anderen Viruserkrankungen aus - und auch nichts über die Verwendung bei HIV. Im Rest des Blogeintrags wird Mullins nicht weiter wörtlich zitiert - Das Zitat kann also nicht im gesamten Textzusammenhang des Blogeintrags betrachtet werden. Factchecker der Nachrichtenagentur Reuters gehen außerdem davon aus, dass auch das Zitat selbst nicht von Mullins stammt.
Des Weiteren sorgt ein Urteil des Verwaltungsgerichts Wien für Aufregung: Dort wurde geurteilt, dass positive PCR-Tests nicht ausreichend seien, um eine Veranstaltung zu untersagen - und in der Folge der PCR-Test allein nicht zum alleinigen Nachweis einer Infektion ausreiche. Dass dieses Urteil gesprochen wurde, ist Fakt - Factchecker bewerten es allerdings als irreführend. Aus der Begründung des Urteils geht Folgendes hervor:
"Für die WHO ausschlaggebend ist die Anzahl der Infektionen/Erkrankten und nicht der positiv Getesteten oder sonstiger „Fallzahlen“. [...] Die „Information“ nimmt Bezug auf die Empfehlung der Corona-Kommission vom 21.1.2021. Es ist mangels Angaben nicht nachvollziehbar, ob die dieser Empfehlung zugrundeliegenden Zahlen nur jene Personen enthalten, die nach den Richtlinien der WHO zur Interpretation von PCR-Tests vom 20.01.2021 untersucht wurden. Konkret ist nicht ausgewiesen, welchen CT-Wert ein Testergebnis hatte, ob ein Getesteter ohne Symptome erneut getestet und anschließend klinisch untersucht wurde. Damit folgt die WHO dem Erfinder der PCR-Tests, … ( https://www.youtube.com/watch?...). Mutatis mutandis sagt er damit, dass ein PCR-Test nicht zur Diagnostik geeignet ist und daher für sich alleine nichts zur Krankheit oder einer Infektion eines Menschen aussagt."
Das Problem an dem Gerichtsurteil ist ebendiese Begründung: Die Richtlinien zur Interpretation von PCR-Tests der WHO vom 20.01.2021 folgen nicht dem Erfinder des PCR-Tests - denn dieser hat nie gegen den PCR-Test zum Nachweis von Coronaviren argumentiert. Als Quelle hierzu wird vom Verwaltungsgericht ein Youtube-Video angegeben, der vollständige Link ist allerdings nicht im Urteil zugänglich. Ein Youtube-Video als wissenschaftliche Quelle ist allerdings zumindest kritisch zu sehen.
In den WHO-Richtlinien vom 20.01.2021 steht überdies nicht, dass der PCR-Test nicht zur Diagnose geeignet sei. Vielmehr weist die WHO darauf hin, dass bei einem hohen CT-Wert oder einer anders uneindeutigen Lage ein weiterer Test zur Absicherung erfolgen soll. Wie die WHO mehrfach, auch in Reaktion auf Falschinterpretationen eben dieser Richtlinie, betont hat, hält auch sie den PCR-Test für das Mittel der Wahl, um SARS-CoV-Infektionen zu erkennen.
Anm.d.Red.: Dieser Faktencheck entstand durch die DONAU 3 FM Onlineredaktion in Person von Lara von Dohlen und Nico Walz