Lange Gesichter in der Biberacher Stadthalle: Während ein Sprecher der Ulmer Polizei in einer eilig einberufenen Pressekonferenz die Absage des politischen Aschermittwochs mitteilt, sind nur noch wenige Parteimitglieder der Grünen in der Halle anwesend. Am Verpflegungsstand türmen sich die nicht gegessenen Butterbrezeln, belegte Seelen und das vegane Linsencurry, welches für 6,90 Euro angeboten wurde.
Viele Parteimitglieder der Grünen hatten es gar nicht erst bis zur Stadthalle geschafft. Spitzenpolitiker wie Ministerpräsident Kretschmann, Ricarda Lang oder Jürgen Trittin verliesen gar nicht erst ihre Hotels in Biberach oder drehten auf dem Weg zur Veranstaltung wieder um. Als Grund für die Absage nannte der Vorsitzende des Grünen-Kreisverbands Biberach, Michael Gross, die aggressive Stimmung bei den Demonstrationen rund um die Halle.
Im Vorfeld der Veranstaltung hatte es massive Proteste und Blockaden in ganz Biberach gegeben. Misthaufen wurden vor der Stadthalle abgeladen, Strohballen brannten, es war lautes Gehupe und Musik zu hören und die Politiker wurden daran gehindert, zur Veranstaltung zu gelangen. Nach tumultartigen Zuständen beim Eintreffen der Wagenkolonne von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir wurden von der Polizei auch Pfefferspray und Schlagstöcke eingesetzt. Auf Videos, die im Netz kursieren, ist die Szene zu beobachten. Ob das Vorgehen der Polizei in dieser Situation aber wirklich gerechtfertigt war, lies sich darauf nicht erkennen.
Die Polizei Ulm sprach anschließend von sechs leicht verletzten Beamten und einer Festnahme. Verschiedene Medien berichten außerdem, dass die Scheibe eines Begleitfahrzeugs aus der Kolonne von Cem Özdemir mit einem Stein eingeschlagen worden sei. Zu diesem Zeitpunkt soll sich der Minister aber nicht mehr in der Kolonne aufgehalten haben, sondern bereits ausgestiegen sein.
Der Landesbauernverband in Baden-Württemberg hat nach eigener Aussage nicht zu den Protesten aufgerufen oder diese im Vorfeld unterstützt. Der Vorstand des Kreisbauernverbands, Karl Endriß, sagte, an die Stadthalle sei kein Herankommen, da überall drumherum Demonstrierende stünden. Zu den Protesten hatten laut Endriß verschiedene Gruppierungen aufgerufen. Unter den Demonstrierenden seien hauptsächlich Bauern, aber auch Fuhrunternehmer seien beteiligt.
Immer wieder mischten sich unter die zumeist friedlich demonstrierenden Landwirte allerdings auch Krawallmacher und Personengruppen, die durch ihre aggressive Grundstimmung auffielen. Viele verfassungswidrige Symbole fielen auf. Menschen aus Biberach berichten außerdem, die beiden verbotenen Strophen der deutschen Nationalhymne aus Lautsprechern der Demonstranten gehört zu haben.
Neben den Vorgängen rund um die Biberacher Stadthalle fand parallel eine friedliche und angemeldete Demonstration auf dem Gigelberg statt. Hunderte Traktoren und andere landwirtschaftliche Geräte fanden sich dort zusammen mit ihren Fahrern und anderen Sympathisanten der Landwirte zusammen, um sich eine bunte Mischung von Reden anzuhören. Neben den Landwirten selbst kamen auch eine Hausfrau und ein Steuerberater zu Wort. Außerdem stellte sich Minister Özedmir den Landwirten am Gigelberg und beantwortete ihre im Vorfeld an ihn gerichteten Fragen.
Die Stimmung war größtenteils friedlich, die Besucher liesen den Politiker aussprechen und es gab verhältnismäßig wenige Buh- und Zwischenrufe. Nur einmal fuhr Özdemir kurz aus seiner Haut, als ihm ein Demonstrant vorwarf, nicht bei den Bauernprotesten anwesend zu sein. Daraufhin zählte Özdemir mehrere Veranstaltungen auf, an denen er sich den Landwirten bereits persönlich gestellt hatte.
Die Grünen treffen sich seit Jahren in Biberach, wo in diesem Jahr wieder viel Bundesprominenz erwartet wurde. Neben Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, der als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge von Ministerpräsident Winfried Kretschmann gilt, sollten die Bundesvorsitzende Ricarda Lang und Urgestein Jürgen Trittin ans Rednerpult treten. Auch Kretschmann sollte dabei sein.