Von Thomas Heckmann
Die Impfzentren sind geschlossen, nun setzen die Verantwortlichen auf mobile Impfteams, doch auch diese brauchen eine Arbeitsumgebung. Wie das im Ulmer Blautal-Center funktioniert, haben wir uns angesehen.
Für 13 Uhr ist die Öffnung des Pop-up-Impfzentrum in einem leerstehenden Ladengeschäft im ersten Stock des Einkaufszentrum angesetzt. Wer sich impfen lassen will, braucht nicht nach dem Plakat an der noch verschlossenen Eingangstür suchen. Eine Schlange von rund 100 Impfwilligen schlängelt sich bereits eine Viertelstunde vor Öffnung durch das Obergeschoss. Hinter den verschlossenen Türen werden die mitgebrachten Drucker und Laptops verkabelt und an einem Tisch im Eck werden die begehrten Impfstoffe aus der Kühlbox geholt. Barbara Schütz vom Impfteam nimmt die ersten beiden Ampullen aus der Styropor-Halterung, dreht und wendet die Ampullen, damit der Wirkstoff optimal in der Flüssigkeit verteilt ist.
Zwei Kolleginnen öffnen die Packungen der steril verpackten Spritzen und ziehen den Wirkstoff in diese. Rund 40 Spritzen mit Biontech, zwei Dutzend Spritzen mit Moderna und ein Dutzend Johnsson & Johnsson werden im ersten Schritt aufgezogen, um für jeden Impfwunsch der Besucher gewappnet zu sein.
Die aktuelle Impfstrategie des Landes Baden-Württemberg sieht die Hauptverantwortung für das Impfen bei den Haus- und Betriebsärzten. Mobile Impfteams werden als Ergänzung betrachtet, davon gibt es landesweit bis zu 30, die bis auf 80 Teams aufgestockt werden soll. In Ulm, dem Alb-Donau-Kreis und den Landkreisen Göppingen und Heidenheim finanziert das Sozialministerium bisher zwei Impfteams, die nun durch ein weiteres ergänzt werden sollen.
Draußen werden Informationsblätter zu den Impfstoffen und möglichen Nebenwirkungen verteilt, außerdem Formulare für die Anamnese, also die bisherigen Erkrankungen, Allergien und Impfungen der Impfwilligen. Dazu gibt es frisch desinfizierte Kugelschreiber. Kurz nach 13 Uhr ist alles aufgebaut und die Türen werden geöffnet.
Zwei Ärzte nehmen die Impfwilligen in Empfang und führen Aufklärungsgespräche durch, während gleichzeitig eine weitere Mitarbeiterin die persönlichen Daten im Computer erfasst. Sobald alle offenen Fragen vom Arzt beantwortet wurden und der Impfstoff festgelegt wurde, wird die Impfbescheinigung ausgedruckt und es geht zum Impfen.
Ende September wurde das Zentrale Impfzentrum in Ulm genauso wie alle weiteren baden-württembergischen Impfzentren geschlossen. Seit Weihnachten wurden dort rund 370 000 Impfungen verabreicht, die mobilen Impfteams haben in der gleichen Zeit fast 100 000mal in Altenheimen, Schulen und Rathäusern geimpft.
Impfarzt Johannes Forster ist ein Fan des Impfens im Einkaufszentrum. Die Hemmschwelle ist niedriger, sich hier impfen zu lassen als in einem Impfzentrum. Das komplexe Anmeldeprozedere ist weggefallen und es werden auch Bevölkerungsgruppen erreicht, denen die Anmeldung bisher zu kompliziert war. Dagegen gibt es nun jeden Tag in der Region mobile Impfmöglichkeiten, bei denen man ohne Anmeldung vorbeikommen kann.
Genau das Spontane ohne Terminvereinbarung scheint aber nun das Problem zu sein: Die Schlange wird länger und länger, man hat das Gefühl, dass eine Boyband zur Autogrammstunde im Einkaufszentrum steht. Obwohl so schnell wie möglich geimpft wird, stehen nun schon über 150 Menschen in der Schlange. Bis zum Abend werden es an die 400 Impfungen. Jeder der beiden Ärzte hat in sechs Stunden 200mal Fragen zum aktuellen Gesundheitszustand gestellt und 200mal Antworten zur Impfung geliefert.
Doch die Ärzte nehmen sich die Zeit, die der Impfwillige braucht. Laut dem Impfarzt Forster sind die Aufklärungsgespräche durch mehr Fragen viel intensiver als noch im Frühjahr.
Die Impfwilligen sind bunt durchgemischt, berichtet Forster. Erstimpflinge sind genauso in der Warteschlage wie Interessenten für Boosterimpfungen. So wie ein Ehepaar aus dem Landkreis Biberach, die bei ihrem Hausarzt waren und dort eine Moderna-Impfung wollten. Da ihr Hausarzt jedoch nur Biontech verimpft, sind sie spontan vom Hausarzt aus direkt in das Blautal-Center gefahren. Noch weiter hinten ein Ehepaar aus einem Ulmer Stadtteil, die beiden sitzen mitten in der Schlange entspannt auf Campingstühlen. Als sie die Länge der Schlange gesehen hatten, ist der Ehemann zurück zum Auto und hat die Stühle aus dem Kofferraum geholt, die dort für die regelmäßigen Wanderausflüge bereitliegen. Sie warten rund zwei Stunden, bis sie drankommen.
Hinter einem Werbeplakat im Pop-up-Impfzentrum geht es dann zur Sache. Kurz den Ärmel hochgezogen und schon gibt es nach der Desinfektion eine Impfung und danach ein Pflaster. Zügig, aber immer mit ein paar freundlichen Worten und einem Lächeln. Die Impfer wechseln sich durch, denn das vorgebeugte Arbeiten, um die Nadel in den Oberarm zu stechen, ist körperlich anstrengend. Barbara Schütz spricht dann in einer kurzen Pause davon, dass die Arbeit schwer ist. Es gibt Nächte, da träumt sie vom Impfen.
Anfangs hatten die Impfteams einen Fahrer, einen Kollegen, der die Registrierung übernimmt. Diese Arbeiten übernehmen sie mittlerweile selbst, dafür ist sie dann auch abends kaputt. Seit Januar impft sie, wieviel Tausend Impfungen sie seither verabreicht hat, hat sie nicht gezählt, sie betont aber, dass sie ihre Arbeit gerne macht. Das Lächeln, das sie dabei im Gesicht hat, ist das gleiche ehrliche Lächeln, das sie jedem Geimpften mitgibt, wenn er sich in den hinteren Bereich des Ladens zurückzieht, um eine viertelstündige Ruhepause einzulegen. Und danach geht es für die frisch Geimpften wieder raus in den Trubel des Shoppingcenters.
Der DRK Rettungsdienst Heidenheim-Ulm betreibt die mobilen Impfteams in der Region im Auftrag des Sozialministerium Baden-Württemberg. Auch am Donnerstag haben die Ulmer wieder in Stuttgart angerufen, um mehr Impfteams bewilligt zu bekommen. Das DRK will jedem Impfwilligen seine Impfung geben und die langen Wartezeiten im Einkaufszentrum vermeiden. Auf unsere Anfrage erklärte das Sozialministerium, dass sie mit allen Beteiligten im engen Austausch stehen und örtliche Bedarfe decken wollen. Vergangene Woche musste das Ulmer Impfteam bereits Überstunden machen und trotzdem noch weitere Interessenten auf einen späteren Impftag vertrösten.
Impfungen gegen das Corona-Virus bieten die Hausärzte und die Betriebsärzte an. Dort muss ein Termin vereinbart werden. Die mobilen Impftermine für Baden-Württemberg werden ohne Anmeldung angeboten und sind in einer Karte auf www.dranbleiben-bw.de zu finden.
In Bayern gibt es weiterhin Impfzentren, jedoch mit reduzierten Öffnungszeiten, und ebenfalls mobile Angebote. Die Übersicht findet sich im Internet unter www.stmgp.bayern.de/coronavirus/impfung