Prozessbeginn nach tödlicher Messerattacke in Mannheim

Staatsschutzverfahren

Der blutige Angriff auf Teilnehmer einer islamkritischen Kundgebung und einen Polizisten in Mannheim im Mai 2024 löste bundesweit Entsetzen aus. Nun steht der Täter in Stuttgart vor Gericht.

Mehr als 50 Prozesstage sind für das Staatsschutzverfahren am Oberlandesgericht Stuttgart angesetzt: Nach der tödlichen Messerattacke auf dem Marktplatz in Mannheim am 31. Mai 2024 beginnt am Donnerstag der Prozess gegen einen mutmaßlichen Islamisten.

Was ist damals passiert?

Ein Afghane hat am 31. Mai auf dem Mannheimer Marktplatz fünf Teilnehmer einer Kundgebung der islamkritischen Bürgerbewegung Pax Europa (BPE) sowie einen Polizisten mit einem Messer verletzt. Der 29 Jahre alte Polizist erlag später seinen Verletzungen. Ein anderer Polizist schoss den Angreifer nieder, der operiert wurde und zunächst nicht vernommen werden konnte. Seit Mitte Juni ist der mittlerweile 26-Jährige in Untersuchungshaft. Im November erhob die Bundesanwaltschaft Anklage.

Wie lautet die Anklage?

Die Anklage lautet unter anderem auf Mord und versuchten Mord. Der Generalbundesanwalt geht davon aus, dass der Angeklagte Sympathien für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hegt und sich deshalb dazu entschlossen hat, einen Anschlag auf vermeintlich Ungläubige zu begehen. Die Anklage geht daher von einem Mord aus niedrigen Beweggründen aus, wie das Gericht mitteilte.

Dschihadistische Gruppen wie der IS wollen mit extremer Gewalt eine als islamisch angesehene Herrschaft errichten. Sie stellen den Dschihad, den Heiligen Krieg, ins Zentrum ihrer Ideologie und rufen andere Muslime dazu auf.

Was ist über den Angeklagten bekannt?

Der Angreifer war nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur 2013 als Jugendlicher nach Deutschland gekommen und hatte einen Asylantrag gestellt. Der Antrag wurde 2014 abgelehnt. Es wurde allerdings ein Abschiebeverbot verhängt, vermutlich wegen des jugendlichen Alters. Der Täter hatte zuletzt mit seiner deutschen Ehefrau und zwei Kleinkindern im hessischen Heppenheim gewohnt – rund 35 Kilometer nordöstlich von Mannheim. Er war der Polizei vor der Tat nicht bekannt.

Wie umfangreich wird der Prozess?

Für den Prozess sind zunächst mehr als 50 Verhandlungstage bis Ende Oktober terminiert. Für den Prozessauftakt ist nur die Verlesung der Anklage geplant, die laut Gericht fünf Seiten umfasst. Unklar war zunächst, ob von den Prozessbeteiligten bereits erste Anträge gestellt werden. Die Unterlagen zu dem Verfahren füllen laut Gericht 26 Ordner.

Wer sind die Verfahrensbeteiligten?

Das Verfahren ist mit fünf Richtern besetzt. Der Angeklagte wird von zwei Pflichtverteidigern vertreten. Für die Bundesanwaltschaft werden zwei Staatsanwältinnen am Verfahren teilnehmen. Die Familie des getöteten Polizisten tritt als Nebenkläger in dem Verfahren auf und wird durch zwei Anwälte vertreten – einer für die Eltern und einer für die Schwestern.

Welche Strafe droht dem Angeklagten?

Im Fall einer Verurteilung wegen Mordes droht dem Angeklagten eine lebenslange Freiheitsstrafe. Das Gericht könnte darüber hinaus die besondere Schwere der Schuld feststellen. Damit ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren nahezu ausgeschlossen.

Auch könnte das Gericht eine an die Gefängnisstrafe anschließende Sicherungsverwahrung verhängen. Diese gilt im Gegensatz zur Haft nicht als Strafe, sondern als präventive Maßnahme. Sie soll die Bevölkerung vor Tätern schützen, die auch nach Verbüßung der Haft als gefährlich gelten.

Was ist ein Staatsschutzverfahren?

In einem Staatsschutzverfahren klagt der Generalbundesanwalt wegen Staatsschutzdelikten an. Dazu zählen etwa Hochverrat, Gefährdung der äußeren Sicherheit oder auch Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Dazu können auch besonders schwere Straftaten wie Mord und Totschlag kommen, wenn der Generalbundesanwalt das Verfahren wegen des staatsgefährdenden Charakters und der besonderen Bedeutung an sich gezogen hat, wie eine Gerichtssprecherin sagte. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

Warum findet der Prozess in Stuttgart-Stammheim statt?

Grundsätzlich entscheidet der Generalbundesanwalt, wohin er anklagt. Die für Staatsschutzverfahren zuständigen Staatsschutzsenate gibt es laut Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) nur an den OLG in den Landeshauptstädten. Der Staatsschutzsenat des OLG Stuttgart ist damit für ganz Baden-Württemberg zuständig – und auch für den Messerangriff mit Tatort Mannheim.

Das Verfahren findet im Prozessgebäude in Stuttgart-Stammheim statt. Dort gibt es zwei für Hochsicherheitsverfahren geeignete Gerichtssäle, wie die Sprecherin sagte.

Was sagen die Polizeigewerkschaften zum Prozessauftakt?

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert mit dem Verfahren und einem späteren Urteil ein starkes Signal an die Gesellschaft und die Politik. «Wir erwarten im Übrigen für den Täter nichts anderes als eine lebenslange Freiheitsstrafe mit besonderer Schwere der Schuld», sagte der Bundesvorsitzende Jochen Kopelke. «Zudem erwarten wir die Prüfung der Abschiebung aus der Haft.»

Die Deutsche Polizeigewerkschaft fordert einen besseren Schutz der Beamtinnen und Beamten durch eine bessere Ausrüstung unter anderem inklusive Taser sowie eine angepasste Aus- und Fortbildung. «Auch wenn wir glauben, dass in dem konkreten Fall ein ‚Taser‘ keinen wirksamen Schutz und kein ausreichendes Mittel im Einsatz gewesen wäre», sagt der stellvertretende Bundesvorsitzende Ralf Kusterer mit Blick auf den Angriff am Mannheimer Marktplatz.

Was sagt die Bürgerbewegung Pax Europa?

Auch bei Pax Europa hat die Bluttat ihre Spuren hinterlassen. «Den damals Verletzten geht es bis auf einen, der reanimiert werden musste, den Umständen entsprechend gut», sagt Schatzmeisterin Stefanie Kizina. «Der am schwersten Geschädigte ist wegen durchtrennten Muskeln und Nerven bis heute in täglichen Reha-Maßnahmen und hat immer noch Schmerzen. Die psychischen Folgen sind für alle, die in diesem Alptraum waren, erheblich.» Auch das Vorstandsmitglied Michael Stürzenberger wurde damals verletzt.

(Text: Stefanie Järkel, dpa)

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