Laut Medienberichten haben mehr als 100 Häftlinge der Justizvollzugsanstalt (JVA) Ravensburg in einem offenen Brief massive Vorwürfe gegen das Gefängnispersonal erhoben. In dem Schreiben, das an mehrere Medien ging, werfen die Insassen dem Personal unter anderem Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Schikanen und unzureichende medizinische Versorgung vor. Besonders brisant: Ein Häftling soll angeblich an den Folgen einer unbehandelten Fußinfektion verstorben sein.
Die Gefangenen berichten in ihrem Brief von „rechtsradikalen Sprüchen“ wie „Arbeit macht frei“ und „Dreckskanacken“, die von einigen Mitarbeitern der Anstalt geäußert worden sein sollen. Anstatt zu resozialisieren, werde den Häftlingen „massiver psychischer Druck“ auferlegt. Zudem seien Teile des Personals drogenabhängig, was die Missstände innerhalb der Anstalt weiter verschärfe. Laut den Insassen würden die Mitarbeiter willkürlich handeln und Schikanen an den Tag legen, die den gesetzlichen Rahmen sprengen.
Ein zentraler Vorwurf der Inhaftierten betrifft die medizinische Versorgung in der JVA Ravensburg. Laut den Häftlingen sei die gesundheitliche Betreuung unzureichend, was in einem Fall zum Tod eines Gefangenen geführt haben soll. Dieser habe an einer Infektion des Fußes gelitten, die nicht angemessen behandelt worden sei. Zudem seien häufig nur Schmerzmittel die einzige Maßnahme bei Beschwerden, und auch der psychologische Dienst funktioniere nicht wie erhofft. Die Häftlinge werfen der Anstalt vor, ihnen die notwendige Versorgung zu verwehren.
Die Leitung der JVA Ravensburg, vertreten durch Ellen Albeck, reagierte auf die Anschuldigungen und wies diese als pauschal und wenig konkret zurück. Albeck betonte, dass es keinen Todesfall aufgrund einer unterlassenen medizinischen Versorgung gegeben habe. Todesfälle in der Haft seien selten, würden aber regelmäßig durch die Staatsanwaltschaft untersucht. Im Falle eines Todes würden stets Obduktionen durchgeführt, um die Ursache festzustellen. Albeck erklärte weiter, dass Gerüchte und Mutmaßungen in Haft schnell die Runde machen würden, was zu falschen Anschuldigungen führen könne.
Die Anstaltsleiterin unterstrich zudem, dass alle Häftlinge Zugang zu Resozialisierungsprogrammen hätten. Diese Programme könnten jedoch nur mit der Mitarbeit der Gefangenen erfolgreich durchgeführt werden. Oftmals würden Angebote wie berufliche Ausbildung oder Therapieprogramme von den Insassen abgelehnt oder abgebrochen, was später als Mangel an Unterstützung seitens der Anstalt dargestellt werde.
Das Justizministerium Baden-Württemberg hat die Vorwürfe zur Kenntnis genommen und angekündigt, diese zu überprüfen. Sollte sich herausstellen, dass es in der JVA Ravensburg zu Verfehlungen gekommen ist, würden die notwendigen Maßnahmen ergriffen, erklärte ein Sprecher des Ministeriums. Bislang lägen jedoch keine konkreten Hinweise auf systematische Missstände vor.
Die Überbelegung der Haftanstalt wurde ebenfalls thematisiert. Die JVA Ravensburg, die Platz für 389 Häftlinge bietet, ist derzeit mit über 400 Insassen belegt. Laut der Anstaltsleitung wird die Überbelegung regelmäßig durch Verlegungen kurzfristig ausgeglichen. Dennoch könnte es zeitweise zu Engpässen kommen, sodass Häftlinge vorübergehend auf zusätzlichen Matratzen schlafen müssten.
Die aktuellen Anschuldigungen sind nicht die ersten ihrer Art. Bereits im Frühjahr 2023 hatten sich Häftlinge über Missstände in der JVA Ravensburg beschwert. Damals standen die langen Wartezeiten auf Suchttherapien und die niedrigen Arbeitslöhne im Fokus der Kritik. Die Situation in der Anstalt scheint sich seitdem nicht grundlegend verändert zu haben, was die jüngsten Anschuldigungen offenbar unterstreichen.
Die kommenden Wochen dürften zeigen, ob und welche Maßnahmen zur Verbesserung der Situation ergriffen werden, wenn sie denn wirklich nötig sind.