Bei einer Razzia gegen mutmaßliche «Reichsbürger» sind am Donnerstag in Baden-Württemberg neun Wohnungen durchsucht worden.
Nach Angaben der federführenden Generalstaatsanwaltschaft München gab es in den Landkreisen Rastatt, Sigmaringen, Karlsruhe, Biberach, Ravensburg, Tuttlingen, Tübingen und im Zollernalbkreis sowie Bodenseekreis zu Polizeiaktionen. Zudem wurde eine Haftzelle in der Justizvollzugsanstalt Hechingen durchsucht. Es gebe neun Beschuldigte im Südwesten.
Zunächst hatte es aus Sicherheitskreisen geheißen, dass es auch im Bereich der Polizeidirektion Aalen zu einer Durchsuchung gekommen sei. Das war aber nicht der Fall. Der baden-württembergischen Innenministers Thomas Strobl sagte, mit den Durchsuchungen zeige man ganz klar und unmissverständlich: «Wir lassen nicht nach im Kampf gegen Extremismus. Wir schauen ganz genau hin. Wir geben hier keinen Millimeter nach.» Die bundesweit geführten Ermittlungen zeigten auch, die Sicherheitsbehörden arbeiteten vernetzt und mit aller Entschlossenheit zusammen, um unsere Gesellschaft, unsere Demokratie und unsere gemeinsamen Werte zu schützen.
Insgesamt wurden in acht Bundesländern von rund 280 Einsatzkräften 20 Wohnungen unter die Lupe genommen. Den 20 Beschuldigten im Alter zwischen 25 und 74 Jahren wird die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen, wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (beide CSU) mitteilten.
«Die Reichsbürgergruppierung hat im großen Stil bundesweit staatliche Einrichtungen beleidigt und teilweise massiv bedroht, hauptsächlich über Social Media», sagte Herrmann. Zu konkreten Übergriffen sei es nach Erkenntnissen der Ermittler aber bislang nicht gekommen.
Bei den Razzien waren Beamte in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Niedersachsen und Hamburg im Einsatz. Laut Herrmann wurden eine Schreckschusswaffe, Reizstoffgeräte, Smartphones und Datenträger sichergestellt. «Waffen waren nicht darunter», hieß es in der Mitteilung der Ministerien.
Die Generalstaatsanwaltschaft München teilte mit, die Gruppe habe durch die gezielte, massenhafte Kontaktaufnahme mit Behörden deren Kommunikationswege blockieren und damit Einfluss auf deren Entscheidungen nehmen wollen. Übergeordnetes Ziel sei es gewesen, die Bundesrepublik Deutschland und ihre Einrichtungen zu destabilisieren und rechtmäßiges staatliches Handeln zu verhindern oder zumindest zu erschweren. «Die Gesprächspartner wurden beispielsweise mit Reichsbürgerthesen konfrontiert, der Begehung von Menschenrechts- und Kriegsverbrechen bezichtigt, beleidigt und teilweise mit dem Tode bedroht.» Die Ermittler sprachen von einem «Telegram-Netzwerk von Reichsbürgern und Verschwörungstheoretikern».
Der mutmaßliche Rädelsführer der «Reichsbürger»-Gruppe kommt aus Oberbayern, aus Olching im Landkreis Fürstenfeldbruck. Der 58-Jährige wurde laut Generalstaatsanwaltschaft München bereits im November 2021 festgenommen. Im April 2022 wurde der Mann unter anderem wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, Volksverhetzung und Nötigung vor dem Landgericht München I angeklagt. Das Verfahren ist nach Angaben der Ermittler noch nicht abgeschlossen. Der Mann soll den maßgeblichen Telegram-Kanal der Gruppierung betrieben haben.
«Reichsbürger» sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Der Verfassungsschutz rechnete der Szene der «Reichsbürger» und «Selbstverwalter» 2022 deutschlandweit etwa 23 000 Menschen zu, 2000 mehr als im Vorjahr. In Baden-Württemberg umfasste die Szene im vergangenen Jahr den Angaben zufolge 3800 Menschen.