Ein Landesfachtag und ein Blaulichtgottesdienst waren am Samstag die sichtbaren Zeichen für das 25-jährige Jubiläum der Notfallseelsorge Ulm/Alb-Donau-Kreis. Auf dem Ulmer Wochenmarkt fielen sie auf, die Grüppchen aus Einsatzkräften mit lilafarbenen Jacken und dem Schriftzug „Notfallseelsorge“. Vereinzelt fragten Passanten, was denn passiert sei, doch alle Notfallseelsorger waren auf dem Weg in das Ulmer Stadthaus, um sich beim Landesfachtag fortzubilden.
Über 230 Teilnehmende kamen aus allen Teilen Baden-Württembergs und den angrenzenden Bundesländern zur Tagung, die weiteste Anreise hatte eine Teilnehmerin aus dem Nordrhein-westfälischen Düren.
Breiten Raum nahm im Stadthaus die von Radiopreisträgerin Sabrina Gander moderierten Talkrunde ein, die unter dem Thema „Facetten der Schuld“ stand. Professorin Manuela Dudek, die ärztliche Direktorin der Klinik für Forensische Psychiatrie in Günzburg, erklärte den Zuhörern, dass Schuldgefühle buchstäblich lähmen können, ohne dass es eine körperliche Ursache für diese Lähmungen gibt. Auch kommt es oft zu einer Verwechslung von Verantwortung und Schuld für ein Ereignis.
Der Leitende Oberstaatsanwalt Christof Lehr gab ebenfalls Einblicke in seine tägliche Arbeit, bei der die Ermittlungsergebnisse zu jährlich 500 Todesfällen über seinen Schreibtisch wandern. So gibt es bei ihm auch Menschen, die eine Strafe bekommen wollen, um Verantwortung zu übernehmen und so einen Teil ihrer empfundenen Schuld hinweggenommen bekommen. Doch Lehr stellte auch eine wichtige Frage in den Raum: „Was wäre es für eine Gesellschaft, wenn wir keine Schuld empfinden würden?“
Kirchenrat Jörg Schneider aus dem Stuttgarter Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche lieferte eine Antwort für die Frage, warum in der Gesellschaft so schnell mit Schuldzuschreibungen ist: „Es werden schnell Menschen zu Sündenböcken gemacht, damit die Ordnung wiederhergestellt ist.“
Für das Nachmittagsprogramm stand die Fortbildung der aktiven Notfallseelsorger im Mittelpunkt. In zahlreichen Workshops und Vorträgen wurden viele Aspekte in der ehrenamtlichen Arbeit der Notfallseelsorger und der Zusammenarbeit mit anderen Helfern an Notfallorten beleuchtet.
Der Psychologe und Kriminologe Florian Stock beschäftigte sich mit der Psyche der Gaffer. Er sieht ein ganz natürliches Verhalten, wenn man an einer Unfallstelle hinsieht. In der Vorzeit mussten die Menschen Gefahren einschätzen, die ihnen durch wilde Tiere drohten und so schauen Menschen auch heute noch hin. Falsch ist es jedoch, wenn man dann auch noch das Mobiltelefon zückt und die Situation filmt. Hier empfiehlt er die Zivilcourage, die Gaffer anzusprechen und auf ihr fehlgesteuertes Verhalten hinzuweisen.
Die Notfallseelsorger bekamen auch die seltene Gelegenheit, einmal das Führungszeugnis- und Lagezentrum des Polizeipräsidium Ulm zu besichtigen. Erfahrene Polizisten zeigten an einem konkreten Einsatz, wie die Polizei bei Großeinsätzen handelt und warum und wie die Schnittstellen zur Notfallseelsorge funktionieren.
Die würdevolle Versorgung von Verstorbenen zeigte Bestatter Markus Maichle, der ehrenamtlich bei den Erdbeben in der Türkei und Syrien im vergangenen Jahr zahlreichen Familien geholfen hat, ihre verstorbenen Angehörigen zu bestatten.
Optischer Höhepunkt der Zusammenarbeit der Notfallseelsorge mit allen anderen Hilfsorganisationen war ein gemeinsames Foto vor dem Ulmer Münster. Rund 30 Einsatzfahrzeuge vom Einsatzleitwagen über den Rettungswagen und das Wasserrettungsfahrzeug bis hin zum Feuerwehrkran bildeten die Kulisse für die etwa 400 Einsatzkräfte, die sich zum Gruppenfoto aufgestellt haben.
Nach dem Fototermin ging es zum Blaulichtgottesdienst in das Ulmer Münster. Die evangelische Pfarrerin Stephanie Ginsbach und der katholische Pfarrer Gerhard Bundschuh feierten einen Gottesdienst, der unter das Motto des Netzes unter den Hilfsorganisationen gestellt war.
Pfarrer Bundschuh war selbst jahrelang als Notfallseelsorger im Alb-Donau-Kreis unterwegs und lies von allen Organisationen Vertreter zu Wort kommen, die über ihre Motivation zum Helfen sprachen.
Pfarrerin Ginsbach war im Rettungsdienst aktiv und hat selbst oft erlebt, wie es ist, ohne die Unterstützung der Notfallseelsorge verzweifelte Menschen zurücklassen zu müssen. Das Netz, das den Rahmen für den Gottesdienst lieferte, gibt nicht nur anderen Halt, sondern auch dem Helfer selbst.
Elf neue Notfallseelsorger erhielten im Rahmen des Gottesdienstes ihre Ernennungsurkunden und sind nun Teil der über 50 ehrenamtlichen Notfallseelsorger, die im Stadtgebiet Ulm und im Alb-Donau-Kreis bei jährlich rund 400 Einsätzen überkonfessionelle Hilfe leisten.