Sie werden in Gruppen oder einzeln behandelt – und das gratis und unter Schweigepflicht: Das Netzwerk «Kein Täter werden» an der Uniklinik Ulm will durch Therapie sexuelle Übergriffe auf Kinder verhindern.
Es ist eine anonyme und kostenlose Anlaufstelle: Rund 25 Männer in Baden-Württemberg haben bei dem Präventionsnetzwerk «Kein Täter werden» an der Uniklinik Ulm eine Therapie abgeschlossen. Insgesamt seien 45 Menschen an der dortigen Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Behandlung gegangen, erklärte Netzwerk-Koordinatorin Elisabeth Quendler. Etwa 1200 Menschen haben sich in den vergangenen Jahren hilfesuchend an die Ambulanz gewandt. Ziel sei es, sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen im Vorfeld zu verhindern, erklärte die Sexualtherapeutin.
Der im Juli 2014 gegründete Ulmer Standort ist bislang der einzige im Südwesten. Die Spezialisten bieten Menschen mit einer sexuellen Vorliebe für Kinder anonyme therapeutische Hilfe an. Die Kosten tragen die gesetzlichen Krankenkassen.
In den vergangenen Monaten habe es einen deutlichen Anstieg von Anfragen gegeben, sagte Quendler. Die Angst steige, erwischt zu werden. «Und viele haben auch Mut gefasst, sich zu melden.» Nicht nur Betroffene, sondern auch Verwandte, Freunde, Partner und Praxen wenden sich an die Ambulanz. «Die Patienten – hauptsächlich Männer – kommen etwa auch aus Freiburg, München und der Schweiz.»
Manche der Patienten hätten schon Missbrauchsabbildungen konsumiert oder seien schon übergriffig geworden. Zurückliegende Taten fallen aber laut Quendler unter die ärztliche Schweigepflichten.
Entstanden ist das Netzwerk aus spezialisierten Psychologen und Ärzten 2005 an der Berliner Charité. «Kein Täter werden» gibt es an bundesweit zwölf Standorten – darunter auch Hamburg, Düsseldorf, Mainz und Hannover.
Forderungen nach höheren Strafen bei Kindesmissbrauch sieht die Expertin mit Skepsis. «Strafangst ist eine Angst, die Menschen nicht davon abhält, solche Dinge zu tun», sagte sie. Eine bessere therapeutische Ausbildung in dem Bereich sowie eine höhere Toleranz bei Ärzten, diese Randgruppe von Patienten zu behandeln, würde der Therapeutin zufolge mehr bringen.