Von der Schwäbischen Alb hin zur europäischen Leichtathletik-Elite: Alina Reh hat diesen Sprung mit 24 Jahren längst geschafft. Nach einer turbulenten Zeit ist sie bereit für neue Herausforderungen.
2020 die Goldmedaille bei den Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften im 5000-Meter-Lauf, 2019 bei den U23-Europameisterschaften der Sieg über 10.000 Meter: Alina Rehs Erfolge der letzten Jahre können sich sehen lassen. Als sie sich gerade auf die Olympiade in Tokyo vorbereitete, machte ihr jedoch eine Verletzung einen Strich durch die Rechnung.
"Das war bitter", sagt Reh im Interview. Bei ihrer Verletzung handelte es sich um einen Ermüdungsbruch im linken Wadenbein, eine Reaktion des Körpers auf Überlastungen. Solche Brüche werden auch als Stressfrakturen bezeichnet, können allerdings auf verschiedenen Ursachen zurückgeführt werden. Alina Reh schildert eine Zwickmühle, in die viele Profisportler geraten: "Leistungssport ist immer so ein Ritt auf der Rasierklinge. Macht man zu wenig, kann man nicht mithalten. Macht man zu viel, passieren Verletzungen."
Beim Heilungsprozess wurde die Leichtathletin aber gut unterstützt. Mit speziellen, das Gewicht reduzierenden Laufbändern und Physiotherapie habe sie sich Schritt für Schritt wieder zurück in Form gebracht. Mitte Juli konnte sie wieder richtig laufen –jedoch nicht früh genug für die Teilnahme bei Olympia.
Nicht nur der Körper selbst spielt bei solchen Erholungsprozessen eine Rolle. Die junge Läuferin betont die verblüffenden Auswirkungen der Psyche auf die physische Gesundheit. Anfangs habe sie sich noch viel Druck gemacht, um in Tokyo an den Start gehen zu können. Dieser Druck sei für die Heilung aber nicht das Richtige gewesen. „Kurioserweise war es so: Als ich dann mit Olympia abgeschlossen habe, ging es plötzlich wieder besser. Es war eine gewisse Last, die von mir fiel."
Im Interview macht Alina Reh immer wieder deutlich, dass eine gesunde Psyche nicht nur Heilungsprozesse positiv beeinflussen kann, sondern auch ihr persönliches Geheimrezept zum Erfolg darstellt. „Was mir in den letzten zwei Jahren bewusstgeworden ist, ist dass ich mich einfach wohl fühlen muss. Das ist für mich ein ganz wichtiges Kriterium, dass ich auch einfach bei mir bleibe, an mich glaube und meinen Weg verfolge.“ Im letzten Jahr stellte die Leichtathletin dann fest, dass für ihr Wohlbefinden eines besonders wichtig ist: in ihrer Heimat zu sein. Nach ihrem Wechsel von Ulm zum Pro-Team SSC Berlin hatte sie ihren Lebensmittelpunkt zwischenzeitlich in die Hauptstadt verlagert, jedoch zog es sie schon bald wieder zurück. Durch eine Sonderregelung mit dem SSC Berlin stellt dieser Umstand kein Problem dar. Trainiert wird sie hier nun wieder von ihrem alten Trainer Jürgen Kerl. Darauf, dass sie sich gut erholt hat, lassen die ersten Erfolge nach ihrer Pause schließen: Beim Einsteinmarathon in Ulm toppte sie mit 31.21 Minuten ihre bisherige Bestzeit auf 10.000 Metern.
Der Trainingsplan einer Profileichtathletin hat es in sich: Alina Reh trainiert bis zu vierzehnmal die Woche und legt am Tag bis zu 25 Kilometer zurück. Dazu kommen Krafttraining, Dehnungen und auch Physiotherapie und Regeneration. Über Jahre hinweg haben sich die Trainingszeiten immer weiter gesteigert, jedoch trainierte Reh schon als Neunjährige drei bis viermal die Woche. Angefangen hat sie mit dem Laufen übrigens mit ihrer Mutter: als sie sechs Jahre alt war, nahm die Hobbyläuferin sie mit, damit sie überschüssige Energie abbauen konnte.
Nach einem Jahr mit Höhen und Tiefen blickt Alina Reh jetzt zuversichtlich in die Zukunft: die Deutschen Meisterschaften über 10 Kilometer stehen an, ebenso die Cross-EM in Dublin, und danach liegt der Fokus schon auf der Leichtathletik EM 2022 in München. Das große Ziel: Die Olympiade in Paris 2024.