Das Biberacher Schützenfest wird ohne seinen Oberbürgermeister Norbert Zeidler auskommen müssen. Nach seiner Covid-Erkrankung leidet er noch immer an Erschöpfungs- und Ermüdungszuständen und kann deswegen keine offiziellen Termine wahrnehmen.
Im aktuellen amtlichen Mitteilungsblatt der Stadt Biberach (Biberach Kommunal, kurz BiKo) wendet sich Zeidler jetzt zum Start des Schützenfests mit einem emotionalen Brief an alle Biberacherinnen und Biberacher.
Darin schreibt er von der knisternden Freude auf Schützen, das endlich wieder normal stattfinden wird. Zeidler verbindet damit auch die Hoffnung, dass der Graben, den die Pandemie durch die Gesellschaft gezogen hat, durch das alle verbindende Schützenfeeling wieder gekittet wird. Auch sei Corona noch nicht vorbei, wer mit Maske feiern wolle, der solle Verständnis und nicht Spott ernten. Auf den Ukraine-Krieg geht Zeidler auch ein und stellt die Frage, ob man aktuell überhaupt feiern darf. Aber, so Zeidler, insbesondere den Kindern und Jugendlichen sei man dieses Fest schuldig. Und wenn man nach zehn Tagen des gemeinsamen Durchatmens gelassener sei, dann habe man schon viel gewonnen. Dann dankt er dem Ersten Bürgermeister Ralf Miller, der ihn übers Schützenfest vertreten wird, und der Schützendirektion für ihren kreativen Einsatz – und natürlich der Verwaltung und der gesamten Blaulichtfamilie.
Der ganze Brief von OB Zeidler
Liebe Biberacherinnen und Biberacher,
Schützen ante portas – es schützalat kräftig in unserer Stadt. Bei einem kurzen Spaziergang durch unsere Stadt oder auch im Gespräch mit Biberacherinnen und Biberachern kann man die knisternde Vorfreude auf unser Biberacher Hochamt beinahe mit Händen greifen. Das ist in jedem Jahr in den Wochen und Tagen vor Schützen so – und heuer nochmals mehr. Und das nicht ohne Grund: Das diesjährige Schützenfest ist gleich aus mehreren Gründen ein ganz besonderes:
Der erste Grund ist offensichtlich: Zwei Jahre mussten wir coronabedingt auf unser Schützenfest verzichten. Zwar ist es gelungen, durch unterschiedliche Aktionen so viel Schützenatmosphäre als möglich in unsere Stadt zu bringen – ich denke zum Beispiel noch oft an das beeindruckende Stelenmeer auf dem Gigelberg zurück, an die Online- Angebote oder an das schöne Format „Schützen kompakt“. Aber uns allen war klar: Wir wollen unser Fest in seiner ganzen Pracht und Schönheit zurück – endlich ist es soweit!
Die letzten beiden Jahre haben uns allen sehr viel abverlangt, persönlich, aber auch als Stadtgesellschaft. Unsere Stadt war zeitweise von einem imaginären Graben durchzogen, der Umgang miteinander war teils unerbittlich. Ich hege die große Hoffnung, dass die anstehenden Schützentage helfen, diesen Riss wieder zu kitten. Wir dürfen unser gemeinsames Fundament nicht aus dem Blick verlieren, das wir an Schützen feiern. Und damit verbinde ich eine zweite große Hoffnung: Gehen wir zukünftig achtsamer miteinander um – wir sind es uns schuldig.
Klar ist auch: Corona ist auch während diesem Schützenfest noch nicht zu Ende, die Zahlen steigen auch bei uns stetig. Gehen wir daher rücksichtsvoll miteinander um: Wem es wohler ist, mit Maske zu feiern, der sollte dafür Verständnis und nicht Spott ernten.
Ein besonderes Schützenfest feiern wir in diesem Jahr auch aus einem zweiten Grund: Wir feiern dieses Fest in eine politische Lage hinein, die definitiv keinen Anlass zu ausgelassener Freude bietet: Putins verheerender Angriffskrieg in der Ukraine kostet nach wie vor täglich viele Menschen das Leben und die Heimat; gleichzeitig gehen wir in unserem Land auf ungewisse Monate zu: Darf man in solchen Zeiten feiern? Ich meine, wir sind insbesondere unseren Kindern und Jugendlichen dieses Fest schuldig. Wenn diese zehn Tage des gemeinsamen Durchatmens dazu dienen, dass wir anschließend wieder gestärkt und vielleicht auch etwas gelassener die großen und kleinen Probleme des Lebens angehen, dann hätten wir viel gewonnen. Allerdings sollten wir unser Schützenfest nicht als „Opium“ nutzen, um uns vor den Problemen um uns herum wegzuducken oder die Menschen in der Ukraine zu vergessen – dann würden wir unserer Verantwortung nicht gerecht.
Ein besonderes Schützenfest wird es in diesem Jahr leider auch für mich persönlich: Wie Sie wissen, musste ich mich im April aufgrund der Nachwirkungen einer Covid-Erkrankung auf dringendes ärztliches Anraten hin in eine Reha-Maßnahme begeben. Diese Maßnahme ist mittlerweile abgeschlossen und ich habe meinen Dienst wieder teilweise aufgenommen. Aufgrund anhaltender Erschöpfungs- und Ermüdungszustände ist mir eine volle Wiederaufnahme meiner Dienstgeschäfte derzeit noch nicht möglich. Aus diesem Grund muss ich in diesem Jahr schweren Herzens auf eine Teilnahme am Biberacher Schützenfest verzichten. Das Schützenfest ist mir seit Beginn meiner Zeit in Biberach eine echte Herzensangelegenheit geworden – umso schwerer ist mir diese Entscheidung gefallen. Meine Heimatstundenrede wird in Form einer Videoaufnahme gestaltet, so dass ich zumindest digital bei Ihnen in der Stadthalle sein kann. Bei allen weiteren Terminen werde ich von Erstem Bürgermeister Ralf Miller vertreten, dem ich ganz herzlich für seine kollegiale Unterstützung danke.
Dass das Schützenfest in seiner gewohnten Form stattfinden kann, bedeutet einen großen gemeinsamen Kraftakt: Daher möchte ich allen voran den Mitgliedern der Schützendirektion um Rainer Fuchs und Guido Mebold danken, die nach zwei Jahren mit hoher Kreativleistung heuer wieder mit viel Einsatz ein reguläres Schützenfest auf die Beine gestellt haben. Mein Dank gilt ferner dem Team unseres Ordnungsamtes um Amtsleiterin Anna Kleine-Beek, der Mannschaft unseres Baubetriebsamtes mit Markus Merkle an der Spitze sowie allen Kräften von Polizei, DRK und Feuerwehr, die einen sicheren und sauberen Ablauf der Schützentage ge-währleisten und dabei oft unsichtbar im Hintergrund wirken.
In diesem Sinne darf ich Ihnen allen, wenn auch nur aus der Ferne, dafür aber umso herzlicher zurufen: A scheena Schütza!
Ihr Norbert Zeidler, Oberbürgermeister